Aktuelle Nachrichten Lateinamerika und Paraguay
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01.12.2019
Editorial der Ausgabe 150
Liebe Leserinnen und Leser,
an dieser Stelle finden Sie normalerweise das Editorial unseres Herausgebers, Dr. Rolf Mensching. Er berichtet normalerweise über den „Wandel des Denkens in Deutschland“ aus seiner Perspektive mit über 30 Jahren Paraguayerfahrung und seit fast 10 Jahren als Herausgeber von Die Zeitung. Zur Zeit liegt er jedoch leider in Hamburg im Krankenhaus und kann erstmalig das Grußwort nicht selbst an Sie richten, weswegen Sie heute das Grußwort von mir erhalten.
Die runde Ausgabe 150 markiert mal wieder einen Meilenstein in der Geschichte von „Die Zeitung“, und wir alle vom Team sind stolz darauf, auch in Zeiten von kurzen Internetnachrichten Ihnen, liebe Leser, fundierte Hintergrundberichte – oft sogar Exklusivartikel aus unserer Hand – über Lateinamerika und den deutschsprachigen Raum bieten zu können! Einfach ist das nicht: Potentielle Anzeigenkunden müssen ihr Marketingbudget im Auge behalten, Onlinemarketing schöpft mehr und mehr Anteile des Budgets vom Printbereich ab, und die Distribution von „Die Zeitung“ in einem Land wie Paraguay ist alles andere als einfach. Aus diesem Grund haben wir bereits vor einigen Jahren unseren Abonnentenkreis auch nach Europa ausgedehnt und freuen uns sehr über mittlerweile fast 50 Prozent Anteil Leser vor allem im deutschsprachigen Raum, aber auch in den Niederlanden und weiteren Ländern. An dieser Stelle danken wir Ihnen, liebe Abonnenten und Käufer, egal, wo Sie „Die Zeitung“ lesen, sehr für diese Unterstützung!
Wir nähern uns dem Jahresende 2019 – und schnell könnte man ein Déjà-vu haben: In der April-Ausgabe 2017 (Ausgabe 119) lautete die Titelseite „Ein Kontinent in Aufruhr – politische Unruhen und Wetterkatastophen in Südamerika“. Auch in der Ausgabe 150 könnte der Titel nahezu identisch sein – die seit langem anhaltende Staatskrise in Venezuela mit einer für den Kontinent nie dagewesenen Flüchtlingswelle von über 3,3 Millionen Menschen, die seit 2016 ihr Land verlassen haben, die Unruhen in Ecuador, die Revolte in Bolivien gegen den (indigenen) Expräsidenten Morales, der mittlerweile in Mexiko im Exil ist, die immer stärker werdenden Aufstände im einstigen Musterland Chile – und seit kurzem auch in Kolumbien – gegen die hohen Lebenshaltungskosten und die soziale Ungerechtigkeit. Und Paraguay? Könnte es demnächst hier in Paraguay auch losgehen? Im März/April 2017 waren auch in Paraguay Menschen auf die Straßen gegangen und hatten sich in teilweise gewalttätigen Demonstrationen gegen die vom damaligen Präsidenten Cartes geforderte Verfassungsänderung gestemmt, die ihm eine zweite Amtszeit verschaffen sollte. Im Zuge der Proteste war das Parlamentsgebäude von den Demonstranten in Brand gesteckt worden; die Verfassungsänderung wurde nicht durchgesetzt. Die Wähler bekamen ihren Willen – und bei den darauffolgenden Wahlen in April 2018 ihren neuen Präsidenten Abdo. Man hatte das Gefühl, nahezu ganz Paraguay war froh, endlich Cartes losgeworden zu sein. Was hatte man sich alles von der Regierung Abdo erhofft. Heute wünscht sich eine Vielzahl der Menschen „Tio Cartes“ zurück. Unter Abdo scheint nichts voranzugehen. Wichtige staatliche Investitionen oder „große“ politische Würfe sucht man in der jetzigen Regierung vergebens; Ausschreibungen und damit die staatlichen Aufträge sind drastisch gesunken oder stehen in einem Dauerstau. Mit dem Stau auf Regierungsseite fehlen die Aufträge in der Wirtschaft in fast allen Branchen, vielen kleinen und mittleren Unternehmen geht es schlechter als je zuvor. Denkbar wäre es also, dass die Unruhen auch auf Paraguay übergreifen. Zwar wäre ein Signal an die Regierung, endlich etwas zu tun, sicherlich nötig, aber die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Kosten – und vor allem die menschlichen – wären zu hoch. Bleibt also zu hoffen, dass die paraguayische Regierung sich die Beispiele der zahlreichen südamerikanischen Nachbarstaaten zu Herzen nimmt und endlich etwas tut, zum Wohle des Landes und seiner Menschen. Denn: Wenn das Feuer einmal brennt – auch dies zeigen die Beispiele nicht nur in Lateinamerika –, dann ist es schwierig zu löschen. Mit einfachen Kurskorrekturen ist das Volk dann meist nicht mehr zufrieden.
In diesen wieder einmal unruhigen Zeiten wünschen wir alle vom Team „Die Zeitung“ zumindest im privaten Bereich eine gute Adventszeit. Die nächste Ausgabe Nr. 151 wird der Planung nach vor Weihnachten erscheinen, mit einem hoffentlich gesundeten Herausgeber, dem wir von dieser Stelle von Herzen gute Besserung wünschen.
Dr. Kerstin Teicher, 28. November 2019
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